Bericht von Frau von der Nahmer:

Hamburg-Shanghaier Schüleraustausch 1987 –2000 ein Kurzbericht:
von J Grolle bis U. Pape

                                                        29. Juni 2000

Hamburg-Shanghaier Schüleraustausch 1987 - 2000
ein Kurzbericht:
von J Grolle bis U. Pape

Seit 1986 wird an drei Hamburger Schulen Chinesischunterricht erteilt. An dem Projekt beteiligt sind (in alphabetischer Reihenfolge) das Christianeum, die Jahnschule und das Walddörfer Gymnasium. Neben dem Erwerb sprachlicher Fertigkeiten steht das Kennenlernen der chinesischen Kultur, Geschichte. Am besten eignet sich hierfür ein Besuch in diesem für die Schüler so hoch interessanten Lande. So gibt es seit 1987 einen Schüleraustausch zwischen den Partnerstädten Hamburg und Shanghai. Dieser ist eingebettet in einen Staatsvertrag zwischen den beiden Städten und sieht einen jährlich stattfindenden gegenseitigen Besuch vor.

Wer sind nun die Teilnehmer? Alle Schülerinnen und Schüler, die mindestens ein Jahr Chinesisch an einer der drei Schulen gelernt haben, dürfen sich bewerben. Sie müssen sich verpflichten, den Unterricht weitere zwei Jahre zu besuchen, so daß insgesamt drei Jahre Chinesisch verlangt werden. Darüber hinaus verpflichten sich die Familien, einen Gast für drei Wochen, resp. drei Monate aufzunehmen, wenn ihre Kin-der am Austausch beteiligt sind. Der normale Austausch erstreckt sich über drei Wochen; seit 1995 ist es gelungen, den Austausch für jeweils drei Schüler von Shanghaier und Hamburger Seite zu erweitern auf drei Monate. Die Zahl der Teilnehmer ist begrenzt auf 15 Schülerinnen und Schüler, die auf ihrer Reise in die Partnerstadt Shanghai von einem Kollegen aus einer der oben genannten Schulen begleitet werden. So wechselt turnusmäßig- nach Absprache unter den Schulleitern - die Begleitung. Auch die Schulen haben sich verpflichtet, die chinesischen Begleiter, in der Regel zwei, unterzubringen in Familien, damit ein besseres Verständnis für die Lebensumstände, Gewohnheiten etc. ent-steht. Aus diesen gegenseitigen Besuchen sind viele Freundschaften im Laufe der Jahre entstanden.

Wie gestaltet sich der Austausch innerlich? Zunächst einmal sollen die Schüler in den Familien als Mitglieder leben. Sie sollen am Schul-unterricht mit ihren deutschen Partnern teilnehmen und die Partnerstadt kennenlernen. Dann gilt es die Grenzen der Stadt zu überschreiten und die Umgebung zu erkunden. Für die chinesischen Gäste wird für die drei Wochen ein Programm zusammengestellt, das ihnen auch die wirt-schaftlichen, kulturellen Seiten der Freien und Hansestadt zeigt; auch ist eine Exkursion nach Berlin fester Bestandteil geworden. Viele Hambur-ger Firmen öffnen ihre Tore und lassen die chinesischen Schüler Ein-blicke in  die Produktion gewinnen.*

Die deutschen Schüler lernen in Shanghai zunächst einmal das Inter-natsleben kennen, dabei ziehen sie jede Woche in ein anderes Internat um. Insgesamt sind 4 sog. key schools an dem Austausch beteiligt. Die 4. Schule nimmt seit 1995 jeweils die Drei-Monatsgäste auf. Sie erleben fremde Formen des Unterrichts. Die Wochenenden  verbringen sie seit 1992 in den Familien, die außerordentlich gastfreundlich sind. Die Schulen erarbeiten ein sehr aufwendiges Programm für ihre Gäste, zu dem auch ein Wochenendaufenthalt in einer anderen Stadt gehört (mit vorzüglicher Unterbringung), die von kultureller Bedeutung ist (z. B. Nanjing). Die Schüler werden in Shanghai auch empfangen von der Stadt und zu offiziellen Essen eingeladen. Der Vertreter der Freien und Hansestadt Hamburg lädt ebenfalls ein und steht in besonderen Fällen zur Verfügung. Nach dem offiziellen Ende des Austausches fliegen die deutschen Schüler für drei Tage nach Beijing. Die Kosten werden von den Eltern getragen.

Wie wird der Austausch finanziert?  Die Eltern tragen zunächst die Hauptlast. Sie nehmen den Gast auf und versorgen ihn wie ihre eigenen Kinder. Sie zahlen auch die Fluggebühren  nach Shanghai, zum über-wiegenden Teil. Hier nun kommt die Senatskanzlei (Abteilung Städte-partnerschaften) ins Spiel. Ein solcher Austausch ist mit erheblichen Ausgaben verbunden. Nicht alle Familien, deren Kinder Chinesisch lernen, sind wohl situiert. Auch sie  haben ein Interesse daran, Gäste aufzunehmen und das eigene Kind in die Partnerstadt zu schicken. Die Senatskanzlei gibt daher für die Schüler einen bedeutenden Zuschuß  (Fehlbedarfsdeckung) zu diesem Austausch. Die Hamburger Kollegen, die einen Gast aufnehmen, tragen  sehr viel persönlich finanziell bei. Da es sich um einen Schüleraustausch handelt, zahlt die Schulbehörde für den Flug nach China und steuert einen gewissen Tagessatz für den dortigen Aufenthalt bei. Ansonsten ist Engagement das Zauberwort!

Wie hat sich der Austausch entwickelt?  1987 nahm u.a.Melanie Grolle, die Tochter des damaligen Schulsenators J. Grolle am Austausch teil. Ihr Partner kam mit der Eisenbahn. Der Aufenthalt der Gäste in Hamburg war, durch die mühselige Fahrt bedingt, kürzer. Es entstand die Idee, einen Förderverein zu gründen, dessen Ziel es war, über-wiegend die chinesischen Schüler zu unterstützen. So wurden Gelder eingeworben, um deren Flugkarten zu zahlen, so daß der Aufenthalt in Hamburg zeitlich besser genutzt werden konnte. Seit 1998 hat sich in Shanghai die Situation geändert. Die Partner tragen selbst ihre Flugkosten. Der Förderverein unterstützt aber weiter das Programm in Hamburg und wird sich neue Ziele setzen; z. B. Pflege des Deutschunterrichts in den Shanghaier Schulen mit besseren Deutschbüchern; Hilfe für die Schüler, die drei Monate in Hamburg bleiben, Unterstützung der Hamburger Schüler, die ohne Hilfe des Fördervereins nicht an dem Projekt teilnehmen könnten, etc.

Nicht nur Schüler besuchen sich gegenseitig. Seit 1995 gibt es ein großes Interesse von Shanghai aus, Hamburger Partnerschulen zu besuchen. So war im Frühjahr 1995 eine Delegation, bestehend aus  Direktoren der key schools und Vertretern der Shanghaier Schulbe-hörde, in Hamburg und tauschte sich aus über Erziehungsziele, Curri-cula etc. 1998 und 1999 haben auf privater Ebene die Direktoren der Fremdsprachen Mittelschule und der Shanghai Mittelschule den Aufenthalt in der Hansestadt genutzt, um sich mit Leitern der Schulen und Vertretern der Schulbehörde um eine Erweiterung des Austausches zu bemühen, das jeweilige Schulsystem besser kennenzulernen.

Was machen die Ehemaligen? Erfreulich ist das Verhältnis der Hamburger Schüler aus den drei Schulen untereinander. Viele haben sich für die summer camps in Beijing angemeldet, und sie studieren eifrigst Chinesisch. Echte Freundschaften sind entstanden. Die Schüler treffen sich privat und sind dabei, einen Ehemaligen-Verein zu gründen. Es gibt seit vielen Jahren eine Liste aller am Austausch Beteiligten, die ständig aktualisiert wird (liegt der Städtepartnerschaft vor). So wissen wir, welcher Schüler wo studiert, welche Fächerkombination er gewählt hat, wo sich sein chinesischer Partner aufhält. Auch dies ist ein Nebenprodukt des Austausches: Viele Shanghaier Ehemalige studieren an deutschen Universitäten mit großem Erfolg. Aus dem ersten Austausch sind nach dem Studium z. B. drei Ehemalige bei großen deutschen Konzernen beschäftigt: Gerling Konzern, Otto Versand, Allianz Versicherung. Alle drei arbeiten in der Shanghaier ’Filiale’. Ein Schüler ist im Foreign Affairs Office (Shanghai) und zuständig für das Protokoll. Aus den Reihen der deutschen Schüler ist auch Erfreuliches zu berichten. Einige Beispiele mögen genügen: eine Schülerin hält sich zur Zeit in Beijing auf, um im Botanischen Garten ein biologisches Praktikum zu absolvieren; mehrere Ehemalige machen ein Betriebspraktikum in Nanjing, Shanghai, Beijing mit den Studienkombinatioen Sinologie/Jura/Betriebswirtschaft/Kommunikation. Schülern, die am Austausch teilgenommen haben, sich für ein Sinologiestudium entschlossen haben, werden an der Hamburger Universität mehrere Spra-chensemester erlassen. Einige haben sich DAAD Stipendien erobert.

Wer interessiert sich für diesen Austausch?  Es gibt etliche Medien, die sich mit dem Hamburg - Shanghaier Schüleraustausch befaßt haben. Die Rotarier haben einen Bericht verfaßt: “Chancen mit China”, Nov. 1996; die Deutsche Welle ließ über Satelliten laufen “Ehen ohne Trauschein, Partnerschaften deutscher Städte”, (dies auch im Internet); Birgit Schanzen berichtete in “Rund um den Michel”; Knobel-Ulrich hatte 1997 eine 45minütige Sendung auf N3 über den Schüleraustausch; etliche Zeitungen wie Abendblatt, Welt, Morgenpost brachten Berichte. Das Shanghaier Fernsehen drehte in Hamburg und brachte so etwas wie eine “Seifenoper” über die Partnerschaft mit Hamburg. Die Schüler bekamen begeisterte Anrufe aus Shanghai und Briefe aus den USA, wo sich in dem Augenblick ihre ehemaligen Partner aufhielten und von den Eltern und Verwandten informiert worden waren Und last not least: das Chinesische Generalkonsulat öffnet seine Pforten und lädt als groß-zügiger Gastgeber zu einem Empfang ein. Die Hamburger Schüler erhalten ihr Visum kostenlos!!! anders als die chinesischen Schüler durch das Deutsche Generalkonsulat in Shanghai.

Was sind die nächsten Ziele? Es gilt, den Austausch ganz normal weiter zu führen. Wir wollen erreichen, daß Abiturienten nach ihrem Abschluß in den Partnerschulen  vor Ort die Sprache festigen. Schülern aus Hamburg und Shanghai soll die Möglichkeit geboten werden, ein Jahr in einer der drei Partnerschulen die Landessprache zu erlernen. Auch hier könnte der Förderverein sinnvoll unterstützen Wir möchten Firmen anschreiben mit der Bitte, Praktikumsplätze für Graduierte zur Verfügung zu stellen. Wir möchten gute Lehrmittel in die Partnerschulen schicken. Es gibt also noch viele Aufgabenfelder.

Was geschieht augenblicklich? Wir bereiten das diesjährige Aus-tauschprogramm vor. Im Rahmen der EXPO 2000 sind 300 Schüler aus ganz China eingeladen worden. 25 Schüler aus der Shanghai Experi-mental School werden für eine Woche anschließend zu Gast im WDG sein und sich in den Familien aufhalten. Frau U. Pape hat noch als Bürgerschaftspräsidentin die Schirmherrschaft für das Werkstatt3 Projekt “Junge Visionen” vom 25. Juni bis 8. Juli 2000 übernommen. Die Hansestadt hat dazu Schüler aus allen Partnerstädten eingeladen. So befinden sich im Augenblick auch 5 Schüler und ihr Begleiter aus der Fremdsprachen Mittelschule aus Shanghai in Hamburg. Alle Schüler sprechen sehr gut Deutsch. Im Anschluß an den Workshop werden alle noch eine weitere Woche bei Gasteltern leben und die deutschen Gewohnheiten kennenlernen können. Hier ist wieder ganz privater Einsatz. Es schließt sich der Kreis. Frau U. Pape ist nun Schulsenatorin, und in dieser Funktion hat sie nun die Gelegenheit ergriffen, die nächste Schülergruppe aus Shanghai im Rathaus zu begrüßen. Auch dies ist gute Tradition: der Empfang im Rathaus mit anschließender Besichtigung der Bürgerschafts- und Senatsräume.

Zum Abschluß noch ein Wort: Der Erfolg dieses Austausches beruht zu einem guten Teil auf dem kompetenten Unterricht der chinesischen Kolleginnen und dem bemerkenswerten, unentgeldlichen Einsatz von Frau Cheng Yeng (WDG), die in Fällen, in denen ein deutscher Kollege mit chinesischen Kollegen und Behörden nicht leicht weiterkommt, stets hilf- und erfolgreich gewirkt hat.

Für den Schüleraustausch

* Programme und Teilnehmerlisten liegen der Senatskanzlei vor, ebenfalls einige Berichte.